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THIS PAGE FOCUSES ON THE DEVELOPMENTS THAT derived FRoM HANDKES RESOLUTION TO [FANTASIEN DER WIEDERHOLUNG] "BECOME PRODUCIVELLY LOST" E.G. TO FIND YOUR WAY BY WALKING UNDESCRIBED ROUTES:
I USE THE TERM RAPPROCHMENT VERY MUCH IN THE CHILD ANALYST WAY MARGARET MAHLER DOES - WE ARE DEALING IN HANDKE'S INSTANCE, SO I WOULD HOLD, WITH AN ATTEMPT DURING THE HEIGHT OF HIS 'HOMECOMING' PHASE WITH THE CONSEQUENCES OF A REACTION FORMATION AGAINST NOT ONLY THE KIND OF LIFE HE LED IN HIS TWENTIES, SAY UNTIL 1975, AND IN WORKS SUCH AS "THE REPETITION" "WALK ABOUT THE VILLAGES" TO RECONNECT IN HIS WAY WITH A DIFFERENT KIND OF BEING, BUT IN
THREE ESSAYS" - ON TIREDNESS, THE JUKEBOX & THE DAY THAT WENT WELL; THE HOUR WE KNEW NOTHING OF EACH OTHER - "NO-MAN'S-BAY" HAS A PAGE OF ITS OWN- WITH A DIFFERENT WAY OF BEING PLAYFUL, A DEEPER WAY OF BEING MELANCHOLICALLY PLAYFUL.
AS OF EARLY DECEMBER 2000 THE PAGE HAS DANIEL GUTMANN'S PIECE ON THE JUKEBOX, AND MY REVIEW OF THE THREE ESSAYS.
michael roloff




Briefe aus dem 20. Jahrhundert XXVII

Peter Handke an Wolfgang Schaffler (1978)




5. April 1978


Lieber Wolfgang Schaffler,


ich glaube nicht, dass es darum geht, dass beide Seiten recht haben – wie Sie in Ihrem letzten Brief schreiben. Der Verleger, auch Sie, kann vielleicht ab und zu recht haben, aber er ist nicht „im Recht=; waehrend der Autor immer im Recht ist, wenn er eine Welt hat, die notgedrungen eine fundamental entgegengesetzte zur allseits behaupteten ist, und also ein Autor ist; viele Autoren sind freilich verhinderte Verleger oder was auch immer: Vereinsvorstaende, Politiker usw., es ist jedoch kein Verleger ein verhinderter Schriftsteller, hoechstens ein Vortauescher. Deswegen erscheint mir die Versoehnlichkeit, die Sie bekunden, nicht richtig. Im Lauf der Jahre habe ich erfahren, dass aufs auesserste Respekt moeglich ist – aber dass andrerseits, auch wenn der Augenschein so oft anders ist, ein Verleger geradeso nur sein Spiel, sein eigenes, spielt, wie der Autor; nur ist der Verleger sozusagen geschuetzt dabei durch die Vermutung seiner Eingebundenheit in das Gehabe der Gesellschaft, waehrend der A. sein hoechsteigenes, daher auf den ersten Blick hoechstlaecherliches Gehabe zeigen muss. Viele Einzelheiten in unsrem doch auch erspriesslichen Zusammengehen koennte ich Ihnen nachreichen, in denen der Verlag und dessen Verkoerperer (auch Sie) als das eigentliche Ego-Zentrum ruecksichtslos auftrat (von den von Anfang an schauerlich autorenfeindlichen Vertraegen angefangen, in denen nur von Verpflichtung des Autors zu lesen war – und immer noch zum Grossteil ist, wie ich mich jetzt erst beim Durchlesen vom Vertrag fuer „Das Gewicht der Welt= wieder ueberzuegen konnte, bis zur Imagebildung der Autoren als im „Haus des Verlags= Heimischer und Untergestellter: wo also immer der Verlag als Zweitname zum Autor dazugezwaengt wird, und vieles Geheime, das ich als eine Wunde genauso in mir habe, wie Sie Ihre Wunde von mir haben, der ich aber nur klarstellen wollte und musste). Darueber wuerde ich gern einmal viel genauer und klarer reden, ueber meine UEberzuegung: dass der Autor (z.B. ich) in jedem Fall (auch bei Ihnen, nicht nur bei Suhrkamp) der Ausgepluenderte ist, und der Gewinner nicht sein kann in einem Verlagswesen, wo jeder Verlag sozusagen selber als Persoenlichkeit, als Kuenstler, als Markenzeichen auftritt, und auch auftreten muss, um als Haus zu erscheinen. Das dem Autor vom Verlag Erwiesene ist dann jeweils eben Glueckssache, und so habe z.B. ich mit Ihrem Verlag auch viel Glueck gehabt und hab es noch – aber diese jeweils zufaellige und sporadische Harmonie liegt wohl auch in der Natur der sonstigen notwendigen und ewigen Zerrissenheit dieses seltsamen Verhaeltnisses, dessen Unversoehnlichkeit man leider nicht mit der Feststellung versoehnen kann, dass eben beide Seiten recht haben. – Das alles als kurze Abschweifung, und ich hoffe, ich werde mich nicht mehr darin verhaken, wie ich es in Selbstgespraechen zu meinem Leidwesen allzuoft tue.


Etwas anderes: Am letzten Wochenende haben fuenf Autoren (Born, Widmer, Michael Krueger, Bazon Brock und ich) beschlossen, Kolleritsch den Petrarca- Preis fuer dieses Jahr zu geben. Das ist noch keine Nachricht; es soll also geheim bleiben. Nur ist so ein Preis eine publizistisch wirksame Sache, ausser dem Geld; und es waere schoen, wenn das Buch dann da waere. Der Preisverleihungstermin ist der 17./18. Juni in Arezzo. Ich wollte Sie dazu auch einladen und hoffe, dass Sie kommen koennen. Waere es moeglich, mir auch moeglichst bald einen Umbruch zu schicken, weil ja zu dem Preis was gesagt werden sollte, z. B. von mir? Die Gedichte von Kolleritsch waren fuer uns alle, nachdem wir alles andre schon mit Griesgraemigkeit und Muedigkeit hatten passieren lassen, ein Ereignis, und wir waren fast selig danach. Das hat die Poesie gemacht.


Ich will fuer huete aufhoeren, es wird auch schon Abend. Viele Gruesse also


Ihres Peter Handke


Dieser Brief beginnt wie die Fortsetzung eines Gespraechs. Und tatsaechlich gab es zwischen Schreiber und Adressat vor und nach diesem Brief eine Reihe von temperamentvollen Auseinandersetzungen, deren Kern dieser Brief formulieren will.


Es ging (mal wieder, ist man versucht zu sagen) um das Verhaeltnis zwischen Autor und Verleger. Die Sache ist ja notorisch seit der Erfindung der Druck- und also Vervielfaeltigungskunst, d.h., seit es Verleger gibt. Die Beispiele der Klage, des Vorwurfs und der gegenseitigen Schuldzuweisung sind Legion.


Peter Handke: wenigen seiner Generation liegt das Briefeschreiben so wie ihm, und noch wenigeren gelingt so das Eigentuemliche wesentlicher Briefschreiberei: die richtige Mischung des Spontanen, Individuellen mit dem daraus entwickelten Grundsaetzlichen. Handke waere daher nicht der, der er ist, wenn er das Problem nicht sofort und mit Entschiedenheit auf eine Ebene gebracht haette, bei der es nicht mehr um kleinliche Feilscherei geht; und es geht auch nicht um jene Form des Rechts, bei der am Ende einer der Beteiligten Schuld hat. Es geht vielmehr um ein Im-Recht-Sein, das Handke hier sich zuerkennt, so wie jedem Autor, wenn er eine Welt hat, eine eigene, selbstgeschaffene, mit der er sich zwangslauefig in Gegensatz setzt zur ueblichen, scheinheiligen, „normalen=.


Wenn er eine Welt hat – wenn er der wahrhaft schoepferische Demiurg ist. Handkes Literatur – so wie uebrigens letztlich auch seine politischen Einlassungen – versteht sich ja nicht als die Welt noch einmal im Sinne realistischen Abbildens. Es geht vielmehr um die Welt zum ersten Mal, darum, sie zu sich zu bringen durch Aufmerksamkeit und Absichtslosigkeit. Handkes Schluesselwoerter „Wiederholung= und „erzaehlen= meinen nichts anderes, und es versteht sich, dass dem, dem das gelingt und der im Grundsinn des Wortes Autor ist, eine besondere Rolle in der Gesellschaft zukommt. Und dass er in diesem Zusammenhang – und natuerlich nur in diesem – einer anderen Art von Recht- Sprechung untersteht.


Andererseits ist er aber doch auch der Ausgepluenderte, womit hier weniger der schlecht Bezahlte als der ungefragt Vereinnahmte gemeint ist, der, dem der Verlag sein Brandzeichen verpasst, damit er ueberall, statt ganz und nur er selber sein zu duerfen, vom Ruhm des Stalles kuende, dem er angehoert.


Nun hatte Peter Handke ja ziemlich bald in seiner Laufbahn neben Suhrkamp einen Zweitverlag, den Residenz Verlag, dem er etwa alle fuenf Jahre eines seiner Werke anvertraute. Augenscheinlich machte das die Sache nicht einfacher, sondern (durch die Eifersucht der Verleger) noch komplizierter.


Wolfgang Schaffler hatte seinen Residenz Verlag nach einigen Anlaufschwierigkeiten in den sechziger Jahren ueberzuegend als OEsterreichs damals einzigen Literaturverlag etabliert, wobei er nicht nur fuer Erstveroeffentlicher bald eine gesuchte Adresse war, sondern vor allem auch fuer gerade prominent gewordene oesterreichische Autoren eine willkommene heimische Publikationsmoeglichkeit bot. H.C. Artmann und Thomas Bernhard gehoeren da zu den bekanntesten Namen und eben auch Peter Handke, der dort 1972 eine Geschichte vom Leben und Sterben einer Kaerntner Hausfrau, seiner Mutter, publizierte: „Wunschloses Unglueck=.


Zu seinen beiden Verlegern, Siegfried Unseld und Wolfgang Schaffler, hatte Handke, wie es scheint, ein das UEbliche duetlich ueberschreitendes Verhaeltnis. Umso mehr verlangt er Wahrhaftigkeit und pocht auf die Unversoehnlichkeit der beiden Positionen. Der Verleger, der egoistisch den Autor benutzt, um sein Haus stark zu machen, und der Autor, der eigentliche Souveraen, der an die Bedingungen dieser (Geschaefts-)Welt geknuepft ist und doch zugleich die Bedingungslosigkeit als Voraussetzung seiner Arbeit braucht.



Es macht die Klarheit und Entschlossenheit dieses Briefes aus, dass er, bei aller Sympathie der handelnden Personen, Verleger und Autor letztlich als Repraesentanten entgegengesetzter Welten sieht. Das prosaische Zurechtkommen und seine Gewinne steht dem poetischen Zu-seinem-Recht-Kommen und seinem Gewinnen gegenueber. So zwangslauefig der Gegensatz zwischen Autor und Verleger hier aber auch immer gesehen wird, so unvereinbar deren jeweilige Haltung scheint: das Ziel, Leser, die auch Kauefer sind, fuer das Geschriebene zu finden, bringt sie dennoch zusammen.


Das ist dann freilich noch nicht das Ganze: Peter Handke beschliesst seinen Brief mit der Nennung des kommenden (fuenften) Petrarca-Preistraegers. Hubert Burda hatte diesen Preis 1974 gestiftet, und Handke, der sich hier im uebrigen ganz realistisch medienbewusst zeigt und dabei geradezu verlegerisch argumentiert, war von Anfang an die bestimmende Figur in der fuenfkoepfigen Jury. Regelmaessig sorgte er dafuer, dass einer oder eine der Dichterischen unter den Schriftstellern mit diesem Preis ausgezeichnet wurde: in diesem Jahr eben Alfred Kolleritsch.


Erst wenige Wochen zuvor hatte sich der Residenz Verlag zur Herausgabe des ersten umfangreicheren Gedichtbandes von Kolleritsch entschlossen – der Verleger durfte sich also bestaetigt fuehlen. Am Ende denn doch eine versoehnlich wirkende Geste: Das hat die Poesie gemacht.


JOCHEN JUNG

Daniel Gutmann
Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
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Mystik und PopkulturPeter Handke: Versuch ueber die Jukebox
Seminararbeit zum Thema: Moderne Literatur und popul aere Kultur

Inhalt: 1. Einleitung 2. Rueckzug in die Leere 3. Die Handkesche Schreibweise 4. Identit aet von Autor, Erz aehler und Protagonist 5. Zwischen Mystik und Popkultur 6. Literatur Das Schreiben ist immer Praeliminarie des Schreibens. 1. EinleitungDer Versuch ueber die Jukebox hat nicht die Jukebox als zentralen Mittelpunkt; die beschriebene Reise in die Abgeschiedenheit liest sich vielmehr als Reflexion ueber das Schreiben, als ein Notieren von Empfindungen und Eindr uecken, und hat demzufolge eher die Person des sich selbst Erz aehlenden zum Gegenstand. Der Erz aehl-Raum ist angesiedelt in der Kluft und der daraus resultierenden Spannung, die sich zwischen der Jukebox als Objekt der modernen Kultur und der Lebens- oder Schreibweise des Protagonisten, die deutliche Beziehungen zur Mystik aufweist, aufspannt. Handke beschreibt keine Auseinandersetzung mit dem Kultur zeichen Jukebox, sondern mit der sinnlichen Wahrnehmung in einer sozusagen akulturellen Umwelt, und dennoch ist dieses Kulturobjekt der gemeinte Inhalt des Schreibens. Insofern entspricht dieses Schreiben der Forderung Leslie Fiedlers: a closing of the gap between elite and mass culture , geht sogar noch dar ueber hinaus, indem es nicht nur ein Objekt der Massenkultur zum Gegenstand der Literatur macht, sondern dies dazuhin in Verbindung mit einer scheinbar voellig dazu in Widerspruch stehenden Methode - durch den R ueckzug aus der Kultur - geschieht. Handkes Texte haben in der Rezeption hoechst unterschiedliche Resonanz erfahren. Gemein ist zahlreichen Besprechungen, dass die Akzeptanz seiner Schreibweise von dem Mass abh aengt, in dem die Rezensenten einer spezifischen poetologisch-philosophischen Konzeption zu folgen gewillt sind. Eine differenzierte Auseinandersetzung mit dieser poetologisch-philosophischen Konzeption Handkes w uerde den Rahmen einer Seminararbeit sicherlich sprengen, dennoch muss sie (in Teil 3) kurz angerissen werden, da sie auch in Zusammenhang mit der Bedeutung der Popkultur f uer dieses Schreiben steht und den moeglicherweise nur scheinbaren Widerspruch aufzul oesen hilft, das ¸ gerade in der Abgeschiedenheit einer kleinen spanischen Stadt der Versuch ueber die Jukebox gelingen soll. 2. R ueckzug in die LeereDie Erz aehlung beginnt mit Leerstellen : Die Abfahrtsrampen eines Busbahnhofs waren am Morgen (...) noch bev oelkert gewesen; jetzt, am fr uehen Nachmittag, stand allein der Bus nach Soria mit ein paar eher vereinzelten Passagieren und offenen, fast leeren Ladeluken in dem Halbkreis (7) . Eine Losverkaeuferin liess sich in der Leere nicht mehr blicken (8) und der Russfleck durch den Auspuff eines inzwischen verschwundenen Busses (8) bewirkt, dass die Spuren vieler verschiedener Schuhsohlen und Kofferr aeder (8) auf dem Asphalt zu sehen sind - auch sie Zeichen einer Abwesenheit. Die Spuren dienen dem Protagonisten als g uenstige Vorbedeutung, sie sind ihm ein Bild, das er mitnehmen konnte auf die Weiterfahrt (9). Sodann f aehrt er zu der abgelegenen Stadt im kastilischen Hochland (10), eine Stadt fernab der Verkehrswege, seit geradezu einem Jahrtausend fast ausserhalb der Geschichte, (...) der stillste und verschwiegenste Ort der ganzen Halbinsel (10). Die Fahrt dorthin f uehrt ueber die fast leere Meseta (16), auf dem kahlen Hochland liegen die wenigen Felder zwischen Felsen und Lehm brach (16). Im OEdland (19) sieht er unbenutzte Geleise, die Schwellen ueberwachsen oder ganz verschwunden (19). Und entgegen seinen Fluchtgedanken setzt er sich einem Zwang aus, sich regelrecht aussetzen zu m uessen, in eine gerade noch zu bew aeltigende Unwirtlichkeit, in eine auch die tagt aeglichen Lebensumst aende bedrohende Grenzsituation , und er tut dies, um ueber die Jukebox zu schreiben. Auch von Informationen will er sich entleeren; was er zuvor in der sogenannten Literatur ueber Jukeboxen gelesen hatte, las er mit dem Vorsatz, das meiste davon auf der Stelle wieder zu vergessen; z aehlen beim Schreiben sollte vor allem der eigene Augenschein. (12) Der namenlose Protagonist der Erz aehlung sucht anscheinend einen R ueckzug in die Leere und nimmt die ihn umgebende Wirklichkeit in erster Linie unter der Pr aemisse der Leere wahr. Diese Wahrnehmung findet in der mittelalterlichen Mystik eine Entsprechung, in der die innere Leere als Offenheit gegen ueber der Gotteserfahrung gewertet wird, als ob sich der Held der Erz aehlung an Meister Eckhardts Reden der Unterscheidung hielte: Daz ist ein ledic gem ueete, daz mit nihte beworren enist noch ze nihte gebunden enist(...) , wenn er auch - entgegen Eckhardts Meinung - die Weltabgeschiedenheit offenbar vorzieht. Auch aus der Geschichte zieht sich der Held zur ueck: Die Erz aehlung spielt im Jahre 1989, das Jahr der Geschichte (26), w aehrend er sich in Soria, einem Ort ausserhalb der Geschichte (10), aufh aelt und sofort, instinktiv, geradezu zur ueckscheuend, ohne Gedanken (26) die direkte Konfrontation mit den Geschehnissen an der deutsch-deutschen Grenze meidet. Er m oechte kein Zeuge der Geschichte (26) sein, sondern sich, fernweg, in dieser von Steppen und Felsw uesten umgebenen, geschichtstauben Stadt (...) versuchen an einem so weltfremden Gegenstand wie der Jukebox, einer Sache f uer Weltfluechtlinge (27), so dass er sich fragt: Gab es in der Jetztzeit, da jeder neue Tag ein historisches Datum war, jemand L aecherlicheren, jemand Verrannteren als gerade ihn? (27f.) Waehrend ihm seine Tr aeume ein weltumspannendes Epos (28) erzaehlen, empfindet er ein merkw uerdiges Vergn uegen an der m oeglichen Sinnlosigkeit seines Vorhabens , sich an das Fast-Nichts zu machen (34). In diesem Fast-Nichts, in der Ziellosigkeit (er entscheidet sich, kaum in Soria angekommen, zur Weiterfahrt, am n aechsten Tag zum Bleiben), in diesen Mystik-assoziierten Raum spielt doch immer wieder die moderne Kultur hinein. Bei der Betrachtung einer Kirche f uehlt er auf der Stelle deren Proportionen in sich (...), in den Schultern, den H ueften, den Sohlen, wie seinen eigentlichen, verborgenen K oerper (38). Dieser Ich-Entgrenzung folgt doch gleich darauf eine Beschreibung mit einem Ausdruck Karl Valentins (40). Und auch, wenn er in eines der spanischen Hinterzimmer-Restaurants geht, wo er sich beh uetet f uehlte, weil man dort f uer sich sein konnte , bleiben Fernsehen und Spielautomaten (46) aus der Bar h oerbar. Als Bild f uer dieses Nebeneinander von Mystik/Religion und Popkultur mag die Beschreibung der Busfahrt nach Logrono dienen, bei der der einzige mit ihm Reisende eine Nonne ist, w aehrend Satisfaction von den Rolling Stones und Ne me quitte pas von Jaques Brel im Busradio l aeuft. Der Erw aehnung des spanischen Fusballers Butrague folgen im n aechsten Satz Beckett und Goya (51). Und das erste Erlebnis der Levitation , Entgrenzung und Weltwerdung (88) hat er beim H oeren der Beatles in einer Jukebox. Immer wieder werden neben Gestalten der hohen Kultur Personen aus dem Umkreis der Popkultur zitiert, und gerade an einem japanischen Tempelort findet er eine Jukebox. Die Popkultur bleibt stets gleichwertig gegenw aertig. Den eigentlichen Hauptteil der Erz aehlung bildet eine Beschreibung, welche Bedeutung die Jukebox f uer ihn besitzt, bzw. was ein Ding einem bedeuten und, vor allem, was von einem blossen Ding ausgehen konnte (111). Auch innerhalb dieser Beschreibung, womit der Erz aehler und Held nach zahlreichen Vorbereitungen endlich an den Kern des Intendierten gelangt (worauf der Leser durch den Titel der Erz aehlung gespannt wartet), stellt eine mystische Erfahrung den Mittelpunkt dar. Wie f uer Eckhardt und die Mystiker ist es ihm wichtig, sich lassen zu k oennen, und dies kann er neben einer Jukebox, ein Ding der Ruhe, oder etwas zum Ruhig-werden, zum Stillesitzen, in ziemlicher Reg- und fast Atemlosigkeit (85): Ohne dass er anderes tat, als ein offenes Ohr f uer die besonderen Jukeboxakkorde zu haben (...), gestaltete sich dann in ihm, der sich liesse die Fortsetzung: Laengst leblos gewordene Bilder kamen in Schwung und Schwebe (...) (100). In diesem Lassen (er m oechte auch in Durchlass-Formen (70) schreiben) gewinnt das umher vor sich Gehende eine neue Qualit aet, es besagte dann etwas, einfach, wenn ein Mann ging, ein Strauch sich bewegte, der Obus gelb war und zum Bahnhof abbog (...). Ja, das war es, der Gegenwart wurden die Gelenke eingesetzt! (103) Das Wahrnehmen von Gegenwart ist f uer ihn mit einer k oerperlichen Empfindung verbunden; so erlebt er einen Luftzug an den Schl aefen als Inbegriff, wie sollte man es nennen?, des Jetzt (42). Die ruhige Aufmerksamkeit, gelassenes Wahrnehmen erm oeglichende, fast meditative Geisteshaltung w aechst sich fast bis zum UEbernat uerlichen aus, wenn er von einer Levitationserfahrung beim H oeren der Beatles spricht (88) oder bestimmte Zeichen , Vorbedeutungen oder Winke (Spuren durch Russfleck (8), das Flirren und Blitzen von Fischschuppen (66) oder auch nur einen Holunderstrauch (43)) als g uenstige Zeichen f uer seine Absicht, einen Versuch ueber die Jukebox zu unternehmen, erkennen will. Die Offenheit gegen ueber der Gotteserfahrung, die durch die innere Leere erm oeglicht werden soll, wird von Handke sozusagen umgedeutet in eine Offenheit gegen ueber einer Jukeboxerfahrung . Wenn Jukeboxen im Leben des Erz aehlers eine Rolle, im Mittelpunkt greosserer Geschehnisse, gespielt hatten (91f.), so war dies jedesmal (...) an einer Grenze gewesen; an dem Ende einer vertrauten Art Welt (92). Die Offenheit auch f uer Grenzerfahrungen scheint aber nicht nur eine wesentliche Komponente in Handkes Schreibstil, wie er sich im Versuch ueber die Jukebox aeussert, zu sein, sondern Bedeutung f uer grosse Teile seines literarischen Schaffens zu haben. 3. Die Handkesche SchreibweiseHandke beschreibt im Versuch ueber die M uedigkeit vier Verhaltensweisen meines Sprach-Ichs zur Welt . In der vierten Verhaltensweise erz aehlt die Welt, unter Schweigen, vollkommen wortlos, sich selber. Moser merkt an: Das Ich ist da nicht mehr bei sich, sondern bei der Sache. Dronske fae;;t die Bestandteile des Handkeschen Schreibkonzepts wie folgt zusammen: (...) eine extreme Entsubstantialisierung, als Ausgangspunkt oder Produktivkraft des Schreibens (...), eine Pr aeferenz f uer Randlagen, Passagen, Schwellen, Zwischenr aeume, UEberg aenge, schliesslich eine deutliche Tendenz zur Enthistorisierung bzw. zur Ersetzung historischer Muster durch mythische (...), kurzum eine radikale Exzentrizit aet innerhalb der Handkeschen Prosa nachgerade als Ausgangspunkt f uer die - meist nur momenthafte - Konstitution von aesthetischer Form, Anwesenheit, Einheit. Was P uetz ueber Handkes Journal Das Gewicht der Welt schreibt, trifft meines Erachtens ebenso auf den Versuch ueber die Jukebox zu. Handke teile nicht seine privaten W uensche und Leiden mit, sondern gebe eine Reportage des Bewusstseins (...), dessen Vorg aenge weder psychologisch abgeleitet noch f uer einen Zweck funktionalisiert werden. Auch aus der Sicht einer psychoanalytischen Interpretation wird die Handkesche Schreibweise eher als reiner Bewusstseinsstrom gewertet denn als bewusste Gestaltung: (...) gerade dass der Autor keine explizite Anleihe bei der Psychoanalyse aufnimmt und nur berichtet, nicht deutet, macht diese Texte so stichhaltig und ueberzeugend. Dettmering weiter: W aehrend ich so Handkes Texte als eigengesetzliche und paradigmatische Entsprechungen zu essentiell psychoanalytischen Prozessen wie Trennungs- und Abgrenzungsarbeit verstehe, lesen andere aus ihnen vorwiegend eine Gef aehrdung des Autors, seine vermeintlich (sic!) Psychosen aehe heraus. P uetz sieht gar durch das Gewicht der Welt eine Cartesianische Wende in der Literatur eingel aeutet: Wie erkl aerte sich Handkes Wirkung, wenn seine Schriften nur von den Intimquerelen mit seinem eigenen Ego spr aechen? Nicht allein aus diesem Grunde erscheint es ratsam, statt von einem angeblich resignierenden R ueckzug in die Privatsph aere zu reden, eine tiefer reichende und ueberpers oenliche Problematik, n aemlich die fundamentale R ueckbesinnung auf die erkenntnistheoretische Funktion des Subjekts, zur Kenntnis zu nehmen und darin eine Art Cartesianischer Wende zu sehen. Handkes Schreibweise will ebenso objektivistisch wie subjektivistisch sein und da gibt es keinen Unterschied mehr zwischen historischen und historisch unwichtigen Ereignissen. Wichtig ist nur noch, was der Schriftsteller zum Ereignis werden l aesst. Und Ereignis wird das, was ist. Der Roman wird ueberfl uessig. Die Zeit wird wieder Raum. Was auch immer damit gemeint sein mag, dass die Zeit Raum wird, scheint Handkes Erz aehlstil in einem Masse ungew oehnlich und ungewohnt, das er als Autor und Schriftsteller selbst nicht m uede wird zu betonen: Die Fiktion, die Erfindung eines Geschehens als Vehikel zu meiner Information ueber die Welt ist nicht mehr n oetig, sie hindert nur. UEberhaupt scheint mir der Fortschritt in der Literatur in einem allm aehlichen Entfernen von unn oetigen Fiktionen zu bestehen. Immer mehr Vehikel fallen weg, die Geschichte wird unn oetig, das Erfinden wird unn oetig, es geht mehr um die Mitteilung von Erfahrungen, sprachlichen und nicht sprachlichen, und dazu ist es nicht mehr n oetig, eine Geschichte zu erfinden. Folgerichtig wird ihm der Gegenstand und Anlass¸ seines Schreibens im Versuch ueber die Jukebox einerseits umso nichtiger (25), je mehr er sich dem Schreiben dar ueber ann aehert, andererseits erlaubt gerade diese Nichtigkeit des Gegenstandes einen unverstellten Blick auf denselben: So hat das Leer- und Wegr aeumen bei Peter Handke nichts Destruktives: es ist ein sch oepferisches Beleben des Gegenstandes, das ohne den durch die Phantasie ausgeleuchteten Raum nicht sein kann. In anderen Worten: Erz aehlbarkeit ist das Kriterium: die Dinge sind nicht gut oder schlecht, wahr oder falsch, sch oen oder haesslich. Sie sind erz aehlbar oder nicht erz aehlbar. Sie geben Bilder und Sprache ab oder bleiben stumm. Als k aeme es f uer den Dichter nur darauf an, auf sie zu warten, ihnen nicht im Wege zu stehen. So f uehrt denn das Leere-Schaffen nicht dazu, dass¸ der beabsichtigte Gegenstand umso klarer in den Mittelpunkt tritt, es bleibt bei einer Ann aeherung an - oder eben: einem Versuch ueber - den Gegenstand; im Mittelpunkt steht nicht die Jukebox, sondern das Schreiben des Versuchs (oder das Beschreiben der Ann aeherung) selbst: Dieser Versuch ist nichts anderes als die Erz aehlung ueber einen Schriftsteller, der nach Spanien ging, um einen Versuch ueber die Jukebox zu versuchen . Die epischen Formen der vergangenen Epochen - ihre Einheitlichkeit, ihre Gesten der Beschw oerung und Bem aechtigung (...), ihr so vielwisserischer wie ahnungsloser Totalit aetsanspruch (70) wirken auf ihn dabei als ein blosses Getue . Er setzt entgegen: Vielseitige kleine und gr oessere Ann aeherungen, und zwar, statt in den ueblichen Einfang-, in Durchlass-Formen (...): den Abstand wahren; umkreisen; umreissen; umspielen - deiner Sache von den R aendern her den Begleitschutz geben (70). Das Erz aehlen selbst diene im Versuch ueber die Jukebox , so Moser, wie das Gehen der Erm uedung des Ichs. Gehend wird es zum Schweigen gebracht. (Das Gehen liefert in der Erz aehlung ein (bewusstes?) Wortspiel: Als sich der Protagonist zu einer Wanderung (66) aufmacht, denkt er an die platonischen Dialoge und bezeichnet in seinen Gedankeng aengen kurz darauf Sokrates als der Bewanderte (67).) Die verschiedenen Bedeutungen des Begriffs Geschichte n aehert der Autor einander an, indem er der Formengeschichte der Jukebox (im Sinne einer Entwicklungsgeschichte) einen Haupthelden (16) zugesellt (und sie damit in die N aehe der Geschichte als Erz aehlung r ueckt) oder die Geschichte (als Historie) als das grosse M aerchen der Welt oder eine Abart der alten Gespenstergeschichte (27) bezeichnet. 4. Identit aet von Autor, Erz aehler und ProtagonistWenn die Erfindung eines Geschehens zum Schreiben von Literatur nicht mehr n oetig ist, so wird auch das Erfinden einer Figur ueberfl uessig. Demzufolge ist auch im Versuch ueber die Jukebox nachzuweisen, dass es sich um einen autobiographischen Text (wenn auch nicht im Sinne einer Biographie) handelt. Die Erz aehlperspektive und Erz aehlerhaltung im Versuch ueber die Jukebox wechseln: Der Erz aehler schreibt ueber einen Schriftsteller, der mit den Vorbereitungen f uer einen Versuch ueber die Jukebox besch aeftigt ist. Er hatte vor, sich die Bedeutung dieses Dings in den verschiedenen Phasen seines nun schon lange nicht mehr jungen Lebens klarzumachen. (11) Der Erzaehler weiss auch um die Pl aene, wie dieses Werk aussehen soll. Nachdem alle Vorbereitungen getroffen sind und der Schriftsteller endlich am Schreibtisch sitzt, wird beschrieben, wie sich der Schriftsteller vom Schreiben ablenken laesst. Darauf folgt der eigentliche Kern der Erz aehlung: Assoziationen um die Jukebox, die Beschreibung der Stellenwerteteller aufgehoben und der Erz aehler erz aehlt vom erz aehlenden Erz aehler: Was er von seinem Gef uehl des Angekommen- und Aufgehobenseins (...) erz aehlt hatte, galt w oertlich auch f uer die Musicboxen. (79) An dieser Stelle wird deutlich, dass der nur mit dem Personalpronomen oder als der Reisende (7) bezeichnete Held und der Erz aehler identisch sind und also die Erz aehlung mit dem Titel Versuch ueber die Jukebox von ihrem eigenen Entstehen handelt, (denkbar w aere schliesslich auch, dass der vom Schriftsteller geplante Versuch ueber die Jukebox fiktiv bliebe) obwohl ihre Form nicht mit der in der Erz aehlung geplanten Weise ausgef uehrt ist. Auch der Unterschied zwischen Erz aehler und Autor wird aufgehoben, indem der Erz aehler auf ein anderes Werk des Autors als Paratext (im Sinne Genettes) referiert: Auch dass er den Versuch ueber die Jukebox Ja, sitzen wir. Aber nicht hier, in der Menschenleere, im Rauschen des Eukalyptus, allein, sondern am Rand der Boulevards und der Avenidas, im Zuschauen, vielleicht mit einer Jukebox in Reichweite. In ganz Spanien gibt es doch keine Jukebox. Hier in Linares gibt es eine, eine sehr seltsame. Erz aehl. Nein. Ein andermal, in einem Versuch ueber die Jukebox. Vielleicht. Beschrieben wird diese Jukebox in Linares auf den Seiten 135ff. Mit Modick k oennte man sagen, Handke mache die Erz aehlung zum Versuch ueber die M oeglichkeiten des Erz aehlens : Die drei Versuche sind auch Selbstportr aets des arbeitenden Schriftstellers Handke, der sich beim Schreiben beobachtet und diese Beobachtungen, um seine Motive transparent zu machen, an den Leser weitergibt (...) . 5. Zwischen Mystik und PopkulturWenn Gottwald behauptet, Handkes Schreiben m uesse im uebergreifenden Zusammenhang der Auseinandersetzung bedeutender Str oemungen der Literatur und Philosophie seit der Romantik mit den Folgen von S aekularisierung, Aufkl aerung, Entfremdung und den daraus resultierenden Sinn- und Kulturkrisen seit dem 18. Jahrhundert eingeordnet und vor allem aus diesem Kontext heraus gesehen werden , so kann man noch einen Schritt weitergehen und am Beispiel dieser Erz aehlung aufweisen, dasses sich hierbei nicht lediglich um einen Rekurs auf das Mystische als behauptete Vorbedingung des Schreibens handelt, sondern um eine Auseinandersetzung mit der modernen Kultur, die den Menschen (und damit auch den Autor) pr aegt. Diese Pr aegung wird nicht verleugnet zugunsten einer die Mystik verkl aerenden oder romantisierenden Schreibweise, sondern wird integriert in ein poetologisches Konzept, das sich schon deshalb nicht als Ausdruck einer Weltabgewandtheit darstellt (wie es Handke oefter zum Vorwurf gemacht wird), sondern gerade das als Ausgangspunkt nimmt, was in einer Weltzugewandtheit dem Menschen als Erfahrung widerf aehrt. Die verschiedenen kulturellen Pr aegungen, von Sokrates bis Madonna, von Theophrast bis Butrague, kommen dabei gleichwertig zum Ausdruck. Diesem postmodernen Nebeneinander und Miteinander von kulturellen Einfl uessen, in dem keine Unterscheidung zwischen hoher Kultur und Massenkultur vorgenommen wird, n aehert sich Handke mit einer Methode, die sich von den modernen Unterhaltungs- und Informationsmedien und in einer allgemein als schnell-lebig erkannten Zeit in ihrer Betonung der mystischen Elemente stark abhebt: (...) das Wegschieben der Zeitthemen und Aufschieben des Schreibens ueber die Jukebox, bis ueber diesen Versuch pl oetzlich geschrieben wird, als w aere er schon geschrieben; das Umkreisen, Einkreisen und Herrichten des Schreibortes und so weiter; der ganze Apparat also dient ja nur dazu, den Schriftsteller parat zu machen, das heisst frei von allen Bestimmungen, frei f uer seine Bestimmung. Das Schreiben ist immer Pr aeliminarie des Schreibens. Es bringt den Schriftsteller auf die Schwelle zum Schreiben. 6. Literatur: DETTMERING, PETER: DAS SELBST IN DER KRISE. LITERATURANALYTISCHE ARBEITEN 1971-1985. ESCHBORN 1986.· DRONSKE, ULRICH: ERZ AEHLEN AUS EINEM - MYTHISCHEN - GU. ZU DEN ZEIT- UND SPRACHTHEORETISCHEN IMPLIKATIONEN (NICHT NUR) EINER ERZ AEHLUNG PETER HANDKES. IN: ZAGREBER GERMANISTISCHE BEITR AEGE 2 (1993). S. 123-131· FIEDLER, LESLIE: THE COLLECTED ESSAYS OF LESLIE FIEDLER. VOLUME II. NEW YORK 1971. GOTTWALD, HERWIG: MYTHOS UND MYTHISCHES IN DER GEGENWARTSLITERATUR. STUDIEN ZU CHRISTOPH RANSMAYR, PETER HANDKE, BOTHO STRAUss, GEORGE STEINER, PATRICK ROTH UND ROBERT SCHNEIDER. STUTTGART 1996. (= STUTTGARTER ARBEITEN ZUR GERMANISTIK NR. 333· HANDKE, PETER: ICH BIN EIN BEWOHNER DES ELFENBEINTURMS. IN: DERS.: PROSA, GEDICHTE, THEATERST UECKE, H OERSPIEL, AUFS AETZE. FRANKFURT 1969. HANDKE, PETER: VERSUCH UEBER DIE JUKEBOX. FRANKFURT 1990. HANDKE, PETER: VERSUCH UEBER DIE M UEDIGKEIT. FRANKFURT 1989. MEISTER ECKHARDTS TRAKTATE. HRSG. UND UEBERSETZT VON JOSEF QUINT. STUTTGART 1963 (DEUTSCHE WERKE. V.). MODICK, KLAUS: INBILDER. KLEINER VERSUCH UEBER PETER HANDKES »VERSUCHE« IN: MERKUR 1993 (47). S. 332-339. MOSER, SAMUEL: DAS GL UECK DES ERZ AEHLENS IST DAS ERZ AEHLEN DES GL UECKS. PETER HANDKES VERSUCHE. IN: FUCHS, GERHARD UND GERHARD MELZER (HRSG.): PETER HANDKE. DIE LANGSAMKEIT DER WELT. GRAZ/WIEN 1993. S. 137-154. P UETZ, PETER: PETER HANDKE. FRANKFURT 1982.
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Peter Handke
VERSUCH UEBER DEN GEGLUECKTEN TAG
Ein Wintertagtraum
Frankfurt a.M., Suhrkamp, 1991, 90 S., ISBN: 3-518-40379-6

VERSUCH UEBER EINEN GEGLUECKTEN TAG nennt P.H. seinen nunmehr dritten Versuch, den er auch noch mit ein Wintertagtraum entschuldigen moechte.
..erkenne ich doch immer oefter, und mit immer groesseren Zorn, gegen mich selber, wie mit der vorrueckenden Zeit mehr und mehr Augenblicke meiner Tage mir etwas sagen, wie ich aber weniger und weniger von ihnen fasse und, vor allem, wuerdige.
Diesem unserer Zeit und unseren Breitengraden durchaus angemessenen Motiv kommt und kommt P.H. aber nicht auf die Spur, benennt es auch erst auf der Seite 68, um es allerdings sogleich in niederschmetternder Weise wieder zu negieren:
Ich bin, ich muss es wiederholen, empoert ueber mich, dass ich unfaehig bin, das Licht des Morgens am Horizont, welches mich gerade noch hat aufblicken und zur Ruhe kommen lassen (in die Ruhe kommen, steht beim Briefschreiber Paulus), zu halten.
Tatae, Tatae, Tatae!
Auch ein Versuch verlangt in seinem Tasten nach Stringenz, und wenn die dem Autor nicht moeglich ist, weil er zu keiner ihn befriedigenden Loesung kommt und er zuletzt den Traum lediglich als Traum anerkennt, dann haette das Publikum fuer sein Geld wenigstens einige gelungene Fragmente verdient. Aber dieser Wintertagtraum kommt unverdaut und unueberarbeitet ueber die gutwillige Leserschaft: Dynamisch-inhaltliche Widersprueche sind von P.H. unkommentiert neben-und nacheinander hingerotzt, will sagen, angetastet worden. Sie ergeben kurze, ihrer selbst wegen, hingeworfene Assoziationsstrecken, die ins beliebige Irgendwohin weisen und alles Moegliche, nur keinen wirkungsvollen und glaubwuerdigen Bezug zur Welt, zum Leser, zum Thema oder auch nur zum Autor herstellen.
Neben dem wortwoertlichen UEbersetzen franzoesischer Idiome, wurden P.H. offenbar auch wortwoertliche UEbersetzungen von Paulustexten aus dem Alt-Griechischen zur ebenfalls von ihm unbegruendeten Autoritaet. Aber die wortwoertliche UEbersetzung schuetzt nicht vor Missverstaendnissen und Nicht-Verstehen. Auf P.H.s Und es entspraeche der Idee solch eines Tages, statt eines Versuchs, eher die Psalmenform, ein wohl im voraus vergebliches Flehen?, haette ihm selbst Paulus ein heftiges, verzweifeltes Das wohl nicht! entgegengeschleudert und ihn darauf aufmerksam gemacht, dass nur sein Innewohnen in der Dialektik des Psalmes ihm auch den von P.H. an den Anfang gestellten Vers an die Roemer eingegeben hat: Der den Tag denkt, denkt dem Herrn!
Wer sich und andere so wenig ernstnimmt, musste das Thema zweifach verfehlen, auch wenn Bemaentelungen wie Versuch und Traum als Amulette dagegengehalten wurden: Sein offenbar blindgepicktes Korn auf Seite 68 wollte P.H. nicht schlucken, dafuer haelt er sich spitzfindig, was P.H. wohl mit aesthetisch verwechselt, an der naiven Suche nach einem absoluten Rezept fuer planbar geglueckte Tage auf, aehnlich wie andere nach Wunschtraumfrauen oder -maennern Ausschau halten, weil sie sich nicht auf eine spannungsvolle Beziehung einzulassen vermoegen.
Dieses Buch ist noch nicht mal langweilig, es ist mit seinen ueberlangen, selbstgefaelligen Wortspielereien in beleidigend schlechter Verfassung. Nur P.H. kann wissen, warum er es nicht in die Schublade fuer fehlgeschlagene Versuche geraeumt hat:
Ich selber bin mein Feind geworden, zerstoere mir das Licht des Tags; zerstoere mir die Liebe; zerstoere mir das Buch.

TTC

TTC

THE JUKE BOX and Other Essays on Storytelling
by Peter Handke
Translated from the German by Ralph Mannheim & Krishna Winston
Farrar, Straus & Giroux
New York, New York, $ 21.00.
Reviewed by Michael Roloff



I am not amazed, it fits that more than love and ambition and geniushas driven Handke's industriousness over these mounting years. As we find out in the essay On Tiredness in On the Jukebox [his fifteenth book in the U. S., puts nearly thirty different novels, essays, plays and poetry collections, about two thirds of his output, into English, and he has just delivered his first real monster, a 1072 page novel!]: laboraverimus suffers from insomnia! As have other conquerors -- Handke, luckily for us, in very Central European fashion, being that only of the German language, and its redeemer! And here, also, of that bane of translators and readers, the notorious German sentence structure.[x-3] Misanthrope Handke suffers [or used to] not only from all kinds of baffling psycho-pathological tirednesses.[x-4] Among tiredness' more pleasant forms he describes is its communal kind as farm laborers and carpenter folk experience it, Handke's favorite craft. There, this tiredness approaches the epic, wide-open, un-depressive, generous state that he is after. "He experiences everything he encounters as he goes along as part of the narrative; whatever he takes in is promptly narrated inside him; moments in the present take place in the narrative past,{and not as in dramas but, without any fuss, as mere assertions, short and sweet as the moment itself}" [p... RT] is how he describes the conversion into his preferred state of being -- "being" be-ing "The light streaming in from the earth below that had always encouraged him to go off at once and write, write, write." (p...) {But, actually, we are back to, or have never really left, the moment in Goalie's Anxiety at the Penalty Kick [1968] [x-20] when a very tired Bloch relievedly thinks in the "pure" images of child-like hieroglyphics.[x-5]} The Tiredness essay ends: "My last image of mankind, reconciled in its very last moments in cosmic tiredness." As compared to his hated, tirelessly "bouncy" Austrians![x-6] Peter Handke who writes like an angel, however an angel whose every work first enthralls his readers before ultimately releasing them to BReathe air of the freedom of pure being, in his newest book has invented a lucid, new way of story-weaving whose every woof expands the essay form into a more variegated narrative than to what we are accustomed. Over-determined in their purposes as these not unrelated essays are, on their face they could not seem simpler, but Handke's simplicity has density: his pages repay the care that plied them. Handke's approach to his subjects is modest, deceptively so no doubt. Paced as the most gradual of ascents, he anchors each "assaying" of a site: "a sort of investigation or sounding out of each foreign place, and exposure of himself, alone." [p...]. But site-and weather-specificity meets with varying success: Lineares, near Pamplona, receives short shrift [x-15], in On Tiredness; comparatively lacks the presence of the alto plano {high plains} Soria, also in northern Spain, in Jukebox. The continuous glimpses of Paris in On the Successful Day as Handke's per-spective circles it from its outskirts becomes dizzying. Truly, Handke's surrogate worlds have kineasthetic effects. Thus his effect.[x-18] A further of his narrative methods is self-interrogation: "He had pictured [the essay] as a dialogue on stage... one the interrogator the other an expert."(p...) [x-21] But in On Tiredness, which has this method at its simplest, the asker's alleged ignorance comes across, ultimately, as bald; in Day becomes maddening. Each essay also fills in no end of gaps in the faun's unending self-display -- another of the oranges being juggled in these very still pieces![x-]9+17]. Composed -- I advisedly emphasize the word's musical sense, the best approach to Handke's formal endeavor -- in 1988, 1989 and 1990, the essays explore: psycho-somatic inner states as triggered by events that occur on the outside, in On Tiredness -- though not as a physician might; a supposedly "little" object, the jukebox, which exists outside Peter Handke, though with the essay inside the reader the realization will shortly follow how importantly that "object" looms inside the automatically converting author;and, lastly, an idea, the idea of the good?, beautiful? -- the sense of luck, the verve disappear translating the German "Gluck" into "SUCCESSFUL". -- { Handke isn't writing about a day that's made when a lemon is sold for the price of a Rolls!} In On Tiredness Handke first seems only to want his respondent, himself, to distinguish between different kinds of finely described fatigues that overwhelmed him: {in church with his parents; near- violently when young love was first part of a couple, forgivingly between friends, and triggers his fury at droning Austrian university lecturers.} However, in the title essay (where Handke gets outside Handke to get back inside Handke) the jukebox acquires such weight, he describes so many finely shaded states of need and mind and heart and use and happiness! ecstasy and being that connect to listening to the music; the "little" object gathers so many stories and experiences, strewn in the flaneur of being's space-time all around the globe, to itself that I myself won't ever look at another such without failing to attach my experience with the essay On the Jukebox to it! [x-7+2] Jukebox's being so site-specific here means a deep exploration of tourist horror Soria. Handke absorbs its rare spots of beauty -- "What a jolt he always received from Romanesque structures; he at once felt their proportions in himself, in his shoulders, his hips, the soles of his feet, like his actual, hidden body.[x-8][p.64] and sticks his noggin into its every dank nook and cranny, scraps around its hard-scrabble environs, as he sidles with wonderful gradualness up to his subject.-- Also, by now Handke's got the hang of his interrogational method, meshes it with his narrative. Yes Jukebox is pretty special and Krishna Winston's translation does justice to Handke pace and melody.[x-10 + 16] Still, the close reader of these essays may wonder at occasional, BRief, awfully allusive, self-reproof: for cowardice, his own failings, evil; or why one of the world's best writers reports himself, interestingly, dithering like an itinerant. [x-9A +B] The Day essay {where Handke keeps circling an idea inside his head as well as, intermittently, the edges of Paris by subway -- those are the sites and perspectives} treats of the exorbitant possibility of Hogarth's "gently curving line, the so-called line of Beauty and Grace", [p...](the primary of the three kinds circlings of concern to him in this becalmed vortex) for once extending undisrupted throughout an entire day. [x-11] --Yet how little it takes to distract him from that line![x-12] But with what strength -- the vigor of my anxiety he calls it in Weight of the World -- he sustains it, as the querying (now near-jesuitical corrosive quibbling) down-shifts the idea through several narrative gears, as nonetheless it continues to maintain itself in near-endless series of beautiful sentences, until the notion with a final fillip slips off into Handke's dream. But if all of this, entirely, has become part of the dream, what rich dreams Mr. Handke!
MICHAEL ROLOFF, 1994